"Hast du Worte?" lautete die Antwort der Holocaust-Überlebenden Edith Gilboa, als ich ihr von den antisemitischen Schmierereien auf der Toilette Nr. 2 im Kellergeschoss der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz I erzählte. Ich hatte Auschwitz I einen Besuch abgestattet aus Anlass des 77. Todestags der Ermordung des Komponisten Viktor Ullmann am 18. Oktober 1944 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, da ich zu Recherchen zu Ullmanns Leben in dessen Geburtsstadt Teschen war, heute eine geteilte Stadt als Cieszyn in Polen und Český Těšín in der Tschechischen Republik, die eine gute Autostunde von Auschwitz entfernt ist. Auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte dem Ort am 4. Oktober 2021 einen Besuch abgestattet anlässlich der Auschwitz ist und bleibt einer der wichtigsten Erinnerungsorte an den NS-Terror Eröffnung der neu gestalteten Österreich-Ausstellung in Auschwitz. Denn es ist eine Pflicht daran zu erinnern, wie Demokratie vernichtet wurde und die totalitäre Diktatur des NS-Staats entstand mit Auschwitz als einem der zentralen Vernichtungsorte. Allerdings hatte Bundespräsident Van der Bellen der Toilette Nr. 2 keinen Besuch abgestattet, ansonsten wäre auch er mit den antisemitischen Schmierereien in Auschwitz konfrontiert worden. Und der Komplex Auschwitz ist und bleibt einer der wichtigsten Erinnerungsorte an den NS-Terror wie auch die Schlucht Babi-Jar in Kiew oder die Blockade der Stadt Leningrad durch die Deutsche Wehrmacht oder eben Theresienstadt, das den Nazis als so genanntes Vorzeigelager diente mit der von den jüdischen Häftlingen im Widerstand erkämpften Freizeitgestaltung, an der auch Viktor Ullmann beteiligt war. Heute ist Theresienstadt von Abriss bedroht, Teile der ehemaligen großen Festung sind bereits abgerissen worden, und es droht der weitere Verfall, denn im Fall Theresienstadt wird aus der Pflicht zur Erinnerung ein reines Lippenbekenntnis. Auch die Bewerbung des Besuchs der Gedenkstätte Auschwitz durch den Tourismus in Krakau mit dem Satz "Enjoy a tour" ist ein reines Ärgernis.
Herbert Gantschacher ist Regisseur, Autor und Produzent
Herbert Gantschacher mahnt zur Ernsthaftigkeit in der Erinnerungs- und Gedenkkultur
Hast du Worte?
Auschwitz ist und bleibt einer der wichtigsten Erinnerungsorte an den NS-Terror